Psychohygiene und malen

Seit mehr als einem Jahr kann ich nichts mehr schreiben. Ich weiß nicht, ob das eine sogenannte Schreibblockade ist, denn eigentlich könnte ich ja. Nur, wegen der immer noch andauernden „aktuellen Situation“ würde jeder Text unweigerlich in beißendem Zynismus enden, was ich nicht will. Davon gibt es schon genug. Irgendwo las ich in den letzten Wochen sowas wie: es gäbe ja überhaupt keine Filme/Serien, in denen Menschen mit Masken rumlaufen und Corona gar keine Rolle spielt. Das wäre doch unrealistisch. Ja nun, möchte das irgendjemand sehen? Also ich nicht! Diese Realität habe ich seit mehr als zwei Jahren, das muß ich nicht auch noch im Fernsehen haben. Genau so wenig wie in Geschichten und Büchern. Und da unsere Politik weiterhin die Querdullies verhätschelt und bis zum Anschlag im Ar….llerwertesten der Wirtschaft steckt… ja, hallo, da isser schon, der Zynismus.

Weil ich nun dringend was für meine Psychohygiene tun muß, habe ich mir eine Strategie zurechtgelegt. Jemand schimpfte schon vor anderthalb Jahren auf die „Eigenverantwortung“, was damals ein politisches Schlagwort war und nicht funktionieren würde. Da ging es um die Einführung der Impfpflicht. Heute wissen wohl die meisten: mehr als Eigenverantwortung bleibt nicht, denn absolut nichts, was der deutsche Staat da „angepackt“ hat, funktioniert auch nur halbwegs. Oder in etwa so gut, wie die Abschaffung der lästigen Zeitumstellung. Das sollte 2021 stattfinden, haha. Meine Strategie sieht nun so aus:

Ich pfeife auf sämtliche Änderungen, Free-Dumm-Days und Lockerungen, was Corona betrifft. Ich werde weiterhin eine Maske tragen (Ja, ich bin so frei!), meine Hände waschen und desinfizieren und weitestgehend mit meinem Hintern zu Hause bleiben. Und malen!

Im Kunstunterricht lernt man ja zuallermeist, daß man es nicht kann. Ich habe die Schule im festen Glauben verlassen, ich bekäme keinen vernünftigen Strich hin und habe demzufolge jahrzehntelang keinen Stift angefasst. Obwohl ich immer gerne gemalt, gekritzelt usw. habe. Es kam nur nie was dabei raus und wenn man glaubt, man kann etwas nicht, lässt man es irgendwann sein. Isso.

Geändert hat sich das so 2016 wegen Twitter. Die erste Künstlerin/Illustratorin, der ich da folgte, war dankenswerter Weise @e13kiki, die da im September den Catember ausrief. Einen Monat lang jeden Tag eine Katze malen und hochladen. Ich war mir nicht sicher, ob ich da mitmachen sollte, schließlich „konnte“ ich ja nix und vermutlich würden alle über meine Bilder lachen… Aber ich wollte da mitmachen, menno! Also kaufte ich mir ein Skizzenbuch und einen Satz billige Buntstifte. Blöder Fehler, ja, weiß ich jetzt auch, aber ich wollte nicht zu viel Geld für etwas ausgeben, „was ja eh nix wird“. Ja, dieser eingetrichterte Gedanke, nichts zu können, saß echt tief.

Egal, ich malte Katzen. Und ich wurde besser. Die ersten waren wirklich Kindergartenniveau, aber mit der Zeit wurden sie besser und besser. Durch den Catember lernte ich noch mehr Künstler kennen, hauptberufliche und hobbytreibende, denen ich folgen konnte. Trotzdem blieb das alles noch recht zögerlich. Denn es gibt da noch etwas, was man im Kunstunterricht nicht lernt (bei mir war es jedenfalls so): nämlich, wie man mit Materialien umgeht und was man damit macht. Keine Ahnung, wie viele Pinsel ich ruiniert habe, weil mir niemand erklärt hat, wie und womit man welche Pinsel richtig säubert. Das nur als Beispiel, ich male lieber mit Stiften, weil ich über die irgendwie mehr Kontrolle habe. Aber auch da gibt es Unterschiede. „Kunst“ ist ein Handwerk und mit schlechten Materialien, oder wenn man die falsch benutzt, kommt eben nichts Gutes bei raus. Womit ich bei den billigen Buntstiften bin, die ich inzwischen entsorgt habe. Klar kann man mit denen malen, aber die Farben sind mies und auch die Deck- und Leuchtkraft. Billige Minen brechen andauernd und lassen sich daher miserabel anspitzen. Gleiches gilt natürlich auch für Bleistifte. Während meiner Berufsausbildung musste ich das lernen: die gesamte Bandbreite an Härtegraden für Bleistifte und die Mischungsverhältnisse von Ton und Graphit. Aber nur in der Theorie! Ich bekam nie einen Stift in die Hand um zu erfühlen, wie sich der Stift auf Papier verhält. Ich habe mich immer gewundert, warum jede Zeichnung unweigerlich ruiniert war, sobald ich radieren musste. Nun, weil nicht jeder Radierer zu jedem Bleistift passt. Ich hatte zum Beispiel keine Ahnung, daß es diese Knetradierer gibt, ich kannte nur diese harten Plastikradierer, die eben elend schmieren.

Lange Rede kurzer Sinn: ich kaufte mir je einen Satz gute Bleistifte und einen Satz gute Buntstifte. Und nun probierte ich eben rum, was man damit wie malen kann. Ich bin in der Abmal-Phase. Das bedeutet, ich suche mir ein Bild aus, oder auch nur den Teil eines Bildes, und versuche, ihn abzumalen. Mein erstes „Opfer“ war der kleine Rabe Rrah von @e13kiki, weil ich mit dem prima die Bleistifte testen konnte.

Meine Malutensilien
Bleistifttest mit Rrah

Dann natürlich die Pui Pui Molcars! Es gibt unendlich viel Fanart und da ich die einfach liebe, male ich sie.

Rescue Molcar
Potato Molcar

Oder auch Bilder von @KatzUndTinte, die ich sehr mag.

Beim Abmalen geht es nicht darum, jemandes Bild einfach abzukupfern. Tatsächlich lerne ich sehen. Proportion, Abstände, wie setzt man einen Schatten usw. Ich habe mehr über Licht und Schatten gelernt, in dem ich @e13kiki zugesehen habe, als in allen Kunst-Unterrichtsstunden zusammen. Ich war schon immer eher Team learning-by-doing und wenn ich etwas wissen will, kann ich unter dem Hashtag #kleinekunstklasse einfach fragen. Irgendjemand weiß immer was und hilft weiter. Zum Beispiel @MelanieGyver, die unter #melzeichnet schön anschaulich zeigt, wie Figuren entstehen oder Perspektive funktioniert.

Etwas, das ich in der Kunstbubble auch sehr schätze: es gibt kein Gezänk und Geläster.

Ich setze mich also hin und male. Niemand wird bestreiten, daß das Leben momentan reichlich belastend sein kann und das sich dieser Zustand wohl auch so schnell nicht ändert. Ob er je wieder auf das zurückspringt, was wir mal als „normal“ empfanden? Keine Ahnung. Aber ich finde, jeder hat das Recht, sich eine Oase zu schaffen, einen Ort, an den er sich vor allen Belastungen zurückziehen kann. Und wenn das für mich jetzt malen ist und mir der Prozess Spass macht und ich mich über das Ergebnis freue, dann ist das eben auch gut für meine psychische Gesundheit.

Links das Original von @KatzUndTinte, rechts meine Ente

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