Erfreulicher Tag in Göttinger Buchhandlungen – #Sarrazin2

Heute hatte ich irgendwie Lust auf shoppen und bummeln. Als Frau hat man manchmal solche Anwandlungen, einfach ziellos durch die Fußgängerzone flanieren, hier gucken, da auch was kaufen, was man sowieso schon immer dringend brauchen wollte, Kaffee trinken usw.
Natürlich führt mich mein Weg dann auch durch die Buchhandlungen und heute war ich, zugegeben, ganz besonders neugierig. Denn das Geschrei um das Machwerk eines bestimmten Politikers und Bankmenschen war ja für ihn eine bombastische Werbewelle. Und selbstverständlich auch für den Buchhandel attraktiv, angeblich sollte das Ding bei Amazon ja bereits vor Erscheinen auf Platz 1 stehen (lt. Twitter).
Tja, was soll ich sagen? Es steht GAR NICHT! 🙂 Die typischen Buchpyramiden einer hochgehypten Neuerscheinung – Fehlanzeige. Auf keinem Neuerscheinungstisch, in keinem Schaufenster! Da macht sich Grass breit mit seinen Grimmschen Wörtern. Irgendwie fand ich das wunderbar…
Sicher wird das Buch irgendwo in den Läden vorhanden sein, aber es sieht so aus, als wäre der Ort, wo es vorhanden ist, die allerhinterste Ecke. Vielleicht wird dieses Buch nur unterm Ladentisch verkauft, so wie man das früher mit anrüchigen Schmuddelheftchen gemacht hat? Vielleicht haben die Buchhändler auch nur Angst um ihre Schaufensterscheiben. Egal. Jedenfalls ist es toll, hier nicht von dem Ding überrannt zu werden. Denn wer es unbedingt kaufen und lesen will, wird das so oder so tun.
Aber was anderes tolles habe ich entdeckt: Die Schmuserolle!

#Sarrazin

Zuerst etwas in eigener Sache: Dies ist kein politisches Blog! Da gibt es erfahrenere und sicher bessere. Ich bin zwar kein völlig unpolitischer Mensch, gebe aber durchaus zu, auch von der allgemeinen Politikverdrossenheit, von der immer alle reden, infiziert zu sein. Aber ich bin aktive Twitterin und da bekommt man vieles mit, aus den verschiedensten Bereichen, zu dem ich dann doch mal meine Meinung sagen möchte. Die habe ich nämlich: eine Meinung! Und die betrifft heute eines der Twitter-Top-Themen: #Sarrazin.

Thilo Sarrazin provoziert gerne. Das kann er gut und er macht es ausgiebig. Das wissen wir. Und wirtschaftstaktisch ist der Shitstorm, der gerade auf Twitter stattfindet, das Beste, was ihm passieren konnte. Sein umstrittenes Buch „Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Land aufs Spiel setzen“ erscheint just am 30.08.10 und dürfte eine riesige, kostenlose Werbewelle erfahren.

Auf das Buch selbst will ich hier nur am Rande eingehen, denn mehr, als vorab erschienene Textauszüge (z.B. hier:http://g-ecx.images-amazon.com/images/G/03/books/PDF/leseproben/9783421044303._V184985439_.pdf) habe auch ich nicht gelesen. Und das reicht mir, ehrlich gesagt, auch. Nur zu einer seiner aufgestellten Thesen halte ich nicht meine Klappe, nämlich, ob der Kinderreichtum muslimischer Familien nicht daher rühre, daß die muslimischen Frauen nicht emanzipiert genug seien. Das ist nicht mal mehr „hummeldumm“, das ist, mit Verlaub gesagt, brunzdämlich!

Viel mehr beschäftigt mich die Frage, wer auf die Idee kam, einen Mann mit bekannt rassistischen Ansichten überhaupt zum Literaturfest im Haus der Kulturen der Welt einzuladen?! Das ist doch ein Widerspruch in sich, und zwar in mehrfacher Hinsicht.
Erstens ist ein Buch nicht notgedrungen Literatur, nur weil es ein Buch ist. Ein Mathebuch ist auch ein BUCH.

Zweitens impliziert der Name des Veranstaltungsortes „Weltkultur“, also ist zu erwarten, daß es nicht um deutsche Kultur allein geht sondern um japanische, iranische, türkische, schwedische usw.

Drittens wäre da noch der Begriff „Kultur“. Über den kann man sich aber so sehr streiten, das würde den Umfang dieses Blogs sprengen… Nur eines sei angemerkt: Kultur und Bildung gab es in den orientalischen Reichen bereits, als die Germanen noch mit der Keule durch den Wald rannten!

Auf einer anderen Plattform (auf welcher genau, kann ich allerdings nicht sagen), wäre ein Auftritt wesentlich geschickter gewesen, als ausgerechnet auf dieser. Das MUSSTE doch schiefgehen. Inzwischen werden ja Rufe laut, Thilo Sarrazin öffentliches Redeverbot zu verpassen. Das widerspricht aber dem Grundsatz der freien Meinungsäußerung. Nur, besteht da nicht ein feiner Unterschied, wer wann was sagen kann? Sarrazin verbreitet Stammtischpolemik. Es ist genau das, was man in den Eckkneipen hört, wenn der Alkoholpegel deutlich gestiegen ist. „Die Scheißausländer nehmen uns die Arbeit weg!“ „Die brauchen nicht arbeiten, die leben doch vom Kindergeld!“ usw. usw. Genau das SAGT „der kleine Mann in der Kneipe“ – aber da gehören solche Äußerungen auch hin! In die Kneipe.

Und zum Schluß gebe ich noch zu bedenken, daß der Mann mit Nachnamen Sarrazin offensichtlich keinen Schimmer hat, woher sein Nachname stammt: http://de.wikipedia.org/wiki/Sarazenen Lest da mal nach! Im Grunde wettert der Mann gegen seine (sehr, sehr entfernten!) Vorfahren, denn der Name ist ihm ja nicht vom Himmel gefallen!