Erster Besuch einer re:publica, ein kritischer Blick

Das war sie also nun, meine erste republica, Europas größte Medienkonferenz. Und ich muß sagen, ein bisschen enttäuscht bin ich schon. Ich hätte ganz entschieden ein wenig mehr Renitenz erwartet, ein wenig mehr Aktivismus, ein wenig mehr Widerstand. Vielleicht war ich als Newbie ja grundsätzlich auf den falschen Sessions, aber gerade bei den Themen Hatespeech und Trolling, die doch immer wichtiger werden, war ich geradezu fassungslos über die Naivität, mit der darüber gesprochen wurde. Immerhin habe ich gelernt, daß Twittertrolle anders sind als Facebooktrolle. Den Begriff „Sifftwitter“ habe ich vorher noch nie gehört, wie der überwiegende Teil der Zuhörer auch nicht, konnte also mit den Mechanismen nicht viel anfangen. Allerdings auch nicht mit dem abschliessenden Rat: Trolle nicht blocken (das bestätigt die nur und sie machen ne Jubelparty, so ungefähr) sondern ignorieren. Ich benutze Twitter seit zehn Jahren, zum Blödsinn machen, manchmal zum lästern oder auch für Kunst, beteilige mich an Projekten wie der #Twitterolympiade, aber durchaus auch beruflich. Wenn mich da jemand trollt, wird er blockiert und es ist mir herzlich egal, ob dieser Spasstroll dann seine Genugtuung hat, mich „geärgert“ zu haben. Hat er vermutlich nicht mal, weil ich ihn innerhalb von 30 Sekunden vergesse.
Anders sieht es für mich da schon bei den Facebooktrollen aus, die durchaus sehr politisch motiviert sind und deren Hatespeech vom „right wing“ ja gerne mal in sehr konkreten Androhungen physischer Gewalt bis hin zu Morddrohungen gipfelt. Auch die sollen auf keinen Fall ausgegrenzt oder ignoriert werden, wir müssen uns denen Face to Face stellen und mit ihnen diskutieren. Tatsächlich? Schon mal versucht, mit jemandem zu diskutieren, der nur auswendig gelernte Phrasen runterleiert und wenn ihm keine weiteren Argumente (fremde oder eigene) mehr einfallen, mit Vergewaltigung droht? Alternative Fakten, Lügenpresse, Beschimpfungen und Drohungen – und die einzige Reaktion soll sein: diskutiert mit denen! Kann man machen, bringt aber nicht wirklich was. Und für die High Society der Netzaktivisten ist mir das alles zu weichgespült und zu angepasst. Natürlich kann die Lösung nicht sein, zurückzudrohen. Dann hätten wir bald einen Krieg im Netz, der stellenweise ja sogar schon da ist. Ein wenig mehr Gegenwehr hätte ich aber doch erwartet.
Allerdings hörte ich vereinzelt von Leuten, die regälmässig auf dieser Veranstaltung sind, daß ihnen genau das auch auffiele und die Stimmung gänzlich anders wäre als sonst. Und wenn man all die tollen Plakate gesehen hat, die von den Plakatmalern fabriziert wurden, dann GAB es diese kritischen Stimmen ja. Warum waren die auf keiner Stage?! Thomas de Maizière erzählt allen Ernstes , er sähe keinen Grund für digitale Grundrechte, die wären ja im Grundgesetz schon da – und niemand meckert? Also doch, ja, es gibt jetzt diesen niedlichen Hashtag #thomasdämlichsehr, aber ich meine sowas wie Tumult im Zuhörerraum. Nicht mal ein ganz kleiner?!
Vielleicht geht es uns allen zu gut? Ich bekam am ersten Tag noch die letzten Keywords der Begrüßung mit, in denen es darum ging, denen eine Stimme zu geben, denen man sie wegnehmen will, also Menschen, die in einer Diktatur leben, für die Pressefreiheit ein schönes Märchen ist, die verfolgt und eingesperrt werden, wenn sie systemkritisch schreiben. Oder einfach nur die Wahrheit. Das sind richtige Probleme. Auch das neue Datensicherheitsgesetz ist wichtig, schliesslich erlaubt es, Nutzerdaten ausführlicher zu überwachen als ohnehin schon. Also, ich finde, es gibt und gäbe wirklich genug Gründe, etwas mehr Aktionismus zu zeigen.
Und zu guter Letzt: Wo bitte war die Kultur? Die hat nicht nur Wibke Ladwig gefehlt, sondern auch mir.
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Trotzdem war es aber auch schön und interessant. Ich traf nach langer Zeit Wibke wieder, leider viiiiel zu kurz, Frauke Watson, die ich völlig überrumpelte mit einem Fotoshooting unter den Mottobuchstaben, begegnete Raul Krauthausen, dessen Arbeit und Engagement für Menschen mit Behinderung ich sehr schätze, machte mit Doro Martin ein Interview für ihre Storytelling-App oolipo.de – und brachte einen Androiden durcheinander (das hat spass gemacht 😉 ).
Wenn das Projekt „Kulturflauschattacke“ von Wibke Form annimmt, wäre ich gerne dabei, dann komme ich auch gerne nochmal wieder – zur re:publica 18

DSCI0540

Unter meiner Haut

Heute hättest du Geburtstag.
Wenn du nicht gegangen wärst,
vor einem Jahr.
Ein ganzes Jahr schon
ohne dich
und ich vermisse dich,
jeden einzelnen Tag.

Dir wäre er egal gewesen,
dieser Tag,
einer, wie jeder andere.
Mir war er das nie,
ich nannte dich dann immer
meinen zärtlichen Hexer,
an Beltane geboren.

Du hast dann gelächelt,
amüsiert.
Oh wie ich es vermisse,
dieses Lächeln, das nie
unterhalb deiner Augen endete,
diesen Sternen
von Aquamarin –
und meinem Bild darin.

Ich trage dich in der Seele
und auf dem Arm,
eingraviert für immer,
unter der Haut.
Du gingst mir als einziger
unter die Haut.
Dort wirst du immer lächeln.